Von Dr. Jackle zu Mr. Heyd

oder wieso sich dein hund draußen wie  ein monster aufführt, obwohl er in wahrheit ein liebevoller schatz ist

Immer wieder höre ich von Menschen, wie sich beim Spaziergang mit ihrem Hund „ganz plötzlich ein Schalter umlegt“ und der eben noch aufmerksame, ruhige Engel nicht mehr ansprechbar ist, alle Signale ignoriert, in die Leine springt und laut los bellt.

Um dich im Vorfeld zu beruhigen, nein dein und hat keine Persönlichkeitsstörung, dies ist ein völlig natürliches Verhalten in  einer Situation die von uns Menschen so aufgebaut wurde.

 

 

Was passiert hier?

Um diese Frage zu beantworten müssen wir einmal in das Gehirn unseres Lieblings hineinschauen. Hier gibt es einen Hirnbereich (Großhirnrinde) der für das logische Denken zuständig ist und einen Bereich (Limbisches System) der für das Überleben notwendig ist, nenne wir es die Alarmanlage.

 

Nimmt das Gehirn etwas war, was potentiell gefährlich ist (z.B. ein anderer Hund), löst das Stress aus, die Alarmanlage springt an und löst vorgegebene Verhaltensweisen aus. Dein Hund läuft jetzt quasi auf Autopilot. In diesem Moment hat dein Hund keinen Zugriff mehr auf das logische Denken und kann daher auch nicht auf deine Signale reagieren und diese umsetzen. Er ist also kein blöder Arsch der dich absichtlich ignoriert und nicht ernst nimmt, es ist ihm körperlich einfach nicht mehr möglich. Erst wenn die potentielle Gefahr weg ist, schaltet sich die Alarmanlage wieder aus und das logische Denken tritt wieder ein. Plötzlich hast du wieder den lieben, süßen Schatz vor dir, der keinen Ärger mit dir möchte.

Aber wieso empfindet das Gehirn meines Hundes den anderen als Gefahr, obwohl ihm noch nie etwas passiert ist?

1. Genetik

Auch wenn wir Menschen uns wünschen, dass alle Hunde süße Kuscheltiere sind, die fröhlich miteinander über die Wiese tollen. Von ihrer ursprünglichen Lebensweise ist das weit entfernt. Hunde sind soziale Tiere, das bedeutet sie Leben in Familienverbänden. Fremde Hunde gehören hier NICHT dazu. Im Gegenteil, fremde Hunde sind Fressfeinde, deren Aufenthalt im eigenen Revier einen Nachteil für die ansässige Hundefamilie bedeutet, da sie Nahrung wegfressen und somit das Überleben der Familie bedrohen. Von dieser Seite aus gesehen, ist es völlig normal, dass der Anblick eines fremden Hundes bei deinem Hund Stress auslöst. Biologisch gesehen, ist seine Überlebenswahrscheinlichkeit gerade gesunken.

 

Oder wie sehr würdest du dich denn über fremden Menschen freuen, die plötzlich in deinem Wohnzimmer sitzen und deinen Kühlschrank leer fressen? Da du ein sozialer Mensch bist, regst du dich natürlich nicht auf und schüttelst erst mal jedem freundlich die Hand.

 

2. Fehlende Höflichkeit

Unsere Hunde müssen in einer von Menschen gemachten Welt leben, in der es völlig normal ist, sich anzustarren und auf gerader Strecke aufeinander zuzulaufen. Aus Hundesicht ist das nicht nur unhöflich, es ist schon aktives Drohen. Wir zwingen unsere Hunde also unhöflich zu sein, da wir ihnen keine Möglichkeit geben, dem anderen zu signalisieren, dass man keine Konfrontation möchte. Stattdessen steuern wir unseren Hund direkt in eine eskalierende Situation und ärgern uns dann über seine Reaktion, anstatt uns für unsere eigene Unwissenheit bei ihm zu entschuldigen.

 

Unhöfliches Verhalten aus Hundesicht:

Augenkontakt halten, gerade drauf zu laufen, direkt klaren Kontakt aufnehmen

 

Höfliches Verhalten aus Hundesicht:

Bogen laufen, wegschauen, vorsichtig anfragen und im Intimbereich schnüffeln

 

Anders als wir Menschen, zwingen unsere Hunde uns glücklicherweise nicht Höflichkeit aus ihrer Sicht zu praktizieren ;D Wäre schon etwas unangenehm.  Vielleicht sind wir zukünftig selbst auch so gnädig mit unseren Hunden.

 

 

3. Stimmungsübertragung

Nun hast du vielleicht schon gelernt, wie du dich mit deinem Hund umsichtig und höflich verhalten kannst, dein Hund nimmt das aber überhaupt nicht an. Das könnte neben dem ersten Punkt auch daran liegen, dass du dich selbst schon unsicher fühlst. Auch dein Gehirn lernt, für dich stressige Situationen früh zu erkennen und dir ein ungutes Gefühl zu geben. Das ist völlig normal und nichts wofür du dich schämen musst, du kannst deinem Gehirn ja schlecht befehlen, wie es zu arbeiten hat. So kennst du es vielleicht, dass du beim Anblick eines fremden Hundes am Horizont selbst schon nervös wirst, Bauchschmerzen oder Schweißausbrüche bekommst und hektisch wirst. Aber selbst wenn du nur eine schlechtes Gefühl hast und es dir von außen nicht anmerken lässt, dein Hund fühlt sofort mit dir. Wenn es dir schlecht geht, geht es ihm auch schlecht. Im Gegensatz zu dir spricht dein Hund euer ungutes Gefühl aber einfach laut aus. Für ihn gibt es keinen Grund sich für seine Gefühle zu schämen. Der andere kann ruhig wissen, dass ihr ihn hier nicht haben wollt.

 

Die Stimmungsübertragung ist in der Natur überlebensnotwendig für Gruppentiere. Wenn sich ein Tier erschrickt und flüchtet und das andere sich erst mal noch blöd umguckt um die Ursache festzustellen, wird es gefressen. Ein Gefühl springt wie ein elektrisches Impuls auf alle Gruppenmitglieder über und so haben alle eine höhere Chance zu überleben.

4. erlernter stress

 

 

 

Viele Menschen finden es ja ach so süß, wenn Hunde sich treffen und versuchen miteinander klar zu kommen, weshalb sie mit ihrem Hund zu jedem Hund hinlaufen, den sie treffen. „Damit der mal Guten Tag sagen kann“. Unsere Gesellschaft verlangt geradezu von unseren Hunden, immer zu jedem hin zu müssen. Wie oft hast du schon den Ratschlag bekommen: „dein Hund braucht viel Kontakt und wenn du das nicht willst, hast du ja keine Ahnung von Hunden“.

 

 Hättest du denn Lust, jedem einzelnen Menschen, den du am Tag triffst Hallo zu sagen, mit jedem zu sprechen und dich am besten noch von jedem Fremden umarmen zu lassen? Nein? Wow, du bist aber unsozial. Dabei sind Menschen doch Gruppentiere, die viel Sozialkontakt brauchen.

 

Leider bringen wir unserem Hund so bei, dass er dazu verpflichtet ist, mit jedem fremden Hund in Kontakt treten zu MÜSSEN, auch wenn er sich damit gar nicht wohl fühlt. Und so entsteht dann Stress, den der Körper kompensieren muss und das Gehirn sich für die Zukunft merkt. Hunde=Stress. Außerdem hat der Hund so gar nicht die Möglichkeit auch noch andere Verhaltensmöglickeiten zu lernen, sodass er immer wieder auf das aktive Kommunizieren zurückgreift und nicht auf die Idee kommt einfach weiter zu laufen.

 

Du merkst also, es geht hier überhaupt nicht darum dass dein Hund verrückt ist oder dich nicht ernst nimmt. Er fühlt sich einfach schlecht, weil er in einer Welt lebt, die nicht auf seine Bedürfnisse ausgerichtet ist. Das hat nichts mit eurer Bindung zu tun.

 

Dennoch gibt es Hoffnung. Als erstes musst du lernen deinen Hund richtig einzuschätzen und zu verstehen. Dann brauchst du einen strukturierten Ablauf für zukünftige Hundebegegnungen und am wichtigsten: ihr müsst beide eure Gehirne neu programmieren. Heißt ihr solltet Begegnungen aktiv in einer Hundeschule, die sich damit auskennt, trainieren.

 

Hier müssen die Begegnungen so aufgebaut werden, dass dein Hund und du es in jeder Stunde schafft, völlig zu entspannen und so die Situation als positiv abspeichern könnt. Wenn du nach jeder Stunde völlig gestresst und fertig ins Auto steigst, ist das nicht der passende Trainingsansatz für euch beide. Dann lernt dein Körper weiterhin, diese Situation mit Stress zu beantworten.