Perfekt unperfekt.

Es ist Winter. Ich komme gerade vom Stall zur Tür herein, bepackt mit einem schweren Paket, bekleidet mit 5000 Schichten Klamotten, unbeweglich, abgenervt vom kalten Wind im Gesicht und dem matschigen Gefühl beim Laufen. Ich schließe die Wohnungstür auf und zwei Hunde in Partystimmung hopsen fröhlich bellend um mich herum, werfen mir Spielzeug zwischen die Beine und stehen im Weg, während mir das Paket halb aus den Armen rutscht. Meine Schmerzgrenze ist nun überschritten. Statt meine Hunde zu begrüßen, maule ich sie an und schicke sie von mir weg. Während sie traurig schauend ins Wohnzimmer laufen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen.

 

Was bin ich für eine blöde Arschlochmutter. Die armen Hunde haben sich nur gefreut, mich zu sehen und ich pampe sie blöd an. Doch ich bin eben auch nur ein Lebewesen mit Bedürfnissen und Belastungsgrenzen und wenn ich auf die Bedürfnisse und Grenzen meiner Hunde stehts Rücksicht nehme, weil mir ihr Wohlbefinden wichtig ist, sollte mir dann nicht auch mein eigenes Wohlbefinden am Herzen liegen? Ist es meinen Hunden nicht vielleicht auch wichtig, dass ich mich wohlfühle? Wenn ich meine Grenzen nicht kommuniziere, verwehre ich meinen Hunden die Möglichkeit, auf sie einzugehen. Ich habe kommuniziert, dass ich Freiraum brauch, sie geben ihn mir.

 

Am besten löse ich nun so eine Situation, indem ich zunächst mal auf meine eigenen Bedürfnisse eingehe.

Ich spiele weder mir, noch meinen Hunden vor, dass alles super währe, denn ich fühle mich nicht super. Ich fühle mich beschissen. Und ich habe ein Recht darauf, mich beschissen zu fühlen. 

 

Also setze ich zunächst mal das Paket ab und entledige mich 4999 Schichten Kleidung, gehe ins Bad und lasse mir warmes Wasser über die Hände lauf. Ich atme durch und lasse die schlechten Gefühle los. Ich warte darauf, dass mein Stresslevel wieder sinkt und gehe im Anschluss zu meinen Hunden ins Wohnzimmer. Jetzt bin ich bereit für Partystimmung, bereit für kuscheln, spielen und sich aneinander freuen. Und es ist ernst gemeint. Ich freue mich wirklich, ehrlich und aufrichtig. 

 

 

Dein Tier spürt sehr wohl, wenn es dir schlecht geht und du nur so tust als würdest du dich freuen. Du verletzt die Gefühle deines Tieres nicht, wenn du dich schlecht fühlst. Dein Tier liebt dich und gibt dir Freiraum, wenn du welchen brauchst. Du musst nur darum bitten. 

Perfektionismus macht dich krank.

Glaube mir, ich weiß sehr genau, wie es ist Perfektionist zu sein und dass du deinen eigenen Ansprüchen niemals gerecht werden kannst. Egal wie seht du schuftest, lernst, trainierst und organisierst, sobald du ein Ziel erreicht hast, baut dein Perfektionismus dir gleich 10 neue, die deine Leistungen zu einer Nichtigkeit werden lassen. Hierbei verlierst du die wichtigste Sache, den Spaß. Wann hast du mit deinem Tier das letzte mal einfach etwas aus Spaß gemacht, ohne eine optimale Situation erreichen zu wollen? Ohne darauf zu achten, was Autor XY, Profi AB, der Nachbar, Frau Schmidt oder Influencer TTZ für eine Meinung hierzu hätten? 

 

 

Es gibt nur einen, dessen Ansprüchen du gerecht werden musst und das ist dein Tier.

Frage dich aufrichtig: Welche Ansprüche kommen tatsächlich  von meinem Tier und welche werden ihm nur unterstellt? Ist es deinem Tier wirklich wichtig, dass dieser eine Muskel perfekt definiert ist, dass die Ausrüstung perfekt glänzt, dass du ein ununterbrochen lächelndes Fruchtgummi darstellst, dass es Trick 354 gelernt hat? Oder würde sich dein Tier vielleicht stattdessen darüber freuen, einfach mal ein Weilchen mit dir abzuhängen und gekrault zu werden, mit dir Zeit zu verbringen, in der du einfach nur mal wahrnimmst, was jetzt gerade ist, ohne die Vor- und Nachteile und die ToDo-Liste im Kopf durchzugehen.

Für Jack und Palina war die Situation an der Tür schnell vergessen. Für sie scheint es kein großes Ding gewesen zu sein. Ich war eben schlecht gelaunt und jetzt geht das Leben weiter. Beim nächsten mal begrüßten sie mich wieder mit der gleichen Partystimmung wie sonst auch. Keine Folgeschäden. Doch ich habe mir daraus mitgenommen, zukünftig offener zu meinen Hunden zu sein und mir meiner selbst mehr bewusst. Wenn ich die Treppe hinauf laufe, achte ich bereits darauf, in welcher Stimmung ich gerade bin. Geht es mir gut, dann freue ich mich aufrichtig über die Begrüßung meiner Hunde. Bin ich gestresst, kommuniziere ich dies gleich wenn ich die Tür aufmache, ohne dabei pampig zu werden. Ich schicke meine Hunde mit neutraler Stimme weg und fordere sie auf zu warten, bis ich soweit bin.

Für dein Tier bist du perfekt, wenn du ehrlich bist.

Geht es dir auch manchmal so? Erzähl´ mir deine unperfekte Geschichte:

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